Seil

Seil

 

Der Wissenschaftler Musa Erzurum wuchs zusammen mit seinen zwölf Geschwistern in einem der letzten Holzhäuser Konstantinopels auf. Es war eines der wenigen Häuser, die 1870 vom großen Feuer von Pera, das Zehntausende Holzhäuser vernichtet hatte, verschont geblieben war und dessen Wände durch Seile, die an einem zentralen Punkt des Hauses verknotet waren, zusammengehalten wurde. Da Erzurums Mutter immer befürchtete, der Knoten könne eines Tages aufgehen und das Haus einstürzen, musste das Seil an der Stelle des Knotens ständig von einem ihrer dreizehn Kinder gehalten werden. Als Erzurum die Schule und später die Universität besuchte, ja selbst, als er schon an der Universität unterrichtete, hatte er stets ein schlechtes Gewissen, dass seine zwölf Geschwister, sieben Brüder und fünf Schwestern, den Knoten festhalten mussten, während er studieren und unterrichten durfte. Und selbst als Musa Erzurum bereits seit Jahrzehnten in Schweden lebte und die höchste wissenschaftliche Auszeichnung des Landes erhielt, sagte er in seiner Dankesrede, er müsse nun auch wieder einmal zu Hause sein, um das Seil zu halten.