Schief

Schief

 

Im Sommerurlaub saß der Starkstromelektriker Ziniel drei Mal am Tag mit seiner Frau in der Speisehalle des Hotel Bellevue am selben Tisch. Drei Mal am Tag saß links von ihnen das Ehepaar Wantuch und rechts von ihnen die Familie Findeis. Herr Findeis, der drei Bandscheibenvorfälle hinter sich hatte und an ständigen Rückenschmerzen litt, nahm beim Gehen eine seltsame Haltung des Oberkörpers ein, bei der die linke Schulter hochgezogen und seine Oberarme weit vom Körper gestreckt waren. Ab dem zweiten Urlaubstag nahm der Starkstromelektriker Ziniel ebenfalls diese Haltung ein; zuerst nur, wenn er durch die Speisehalle ging, später auch am Badestrand, auf dem Zimmer und bei Ausflügen und Besichtigungen. Bald übernahm Ziniel von Frau Findeis das regelmäßige nervöse Hüsteln. Von der Reiseleiterin, Frau Seifried, die bei Ausflügen und Besichtigungen die Gruppen führte, übernahm er die Angewohnheit, jeden Satz mit »Gelt?« zu beenden. Bald berührte der Starkstromelektriker Ziniel regelmäßig mit dem Knöchel des linken Zeigefingers seine Nase, wie es der Rezeptionist des Hotel Bellevue immer wieder tat, um seine Brille hochzuschieben. Wie Herr Wantuch, der drei Mal täglich in der Speisehalle auf dem Tisch links von ihm saß, redete Ziniel plötzlich in einem fort von der Relativitätstheorie. Wie das Zimmermädchen öffnete er auf dem Korridor bei jedem Vorübergehen das Fenster zum Lüften und er versuchte ständig, den ungarischen Akzent des Fleischermeisters Halász von Zimmer 11 zu imitieren. Als seine Frau und er wieder zu Hause ankamen, stellte der Starkstromelektriker Ziniel fest, dass seine Wohnung seltsam roch. Alle Möbel und Gegenstände schienen noch da zu sein, doch in Wahrheit waren es Attrappen, die ihm nur vorgaukelten, dass er sich in seiner Wohnung befand. Er redete drei Tage lang kein Wort und öffnete kein Fenster, um zu lüften, obwohl der üble Geruch der Wohnung und seiner Frau von Tag zu Tag beißender wurde. Beim Abendessen sagte seine Frau eines Tages zu ihm: »Zu Hause bist du mir lieber. Was du im Hotel immer für einen Blödsinn redest! Und alle müssen dem Maestro huldigen! Und jetzt gehst du auch nicht mehr so schief.«