Warm

Warm

 

Nachdem der Gefreite Spoerhase vom Infanterie-Regiment Nr. 4 bei einer Schießübung beinahe einen Offiziersdiener getroffen, glücklicherweise aber nur dessen am Leibriemen befestigten Brotsack angeschossen hatte, wurde er in friedenmäßiger Zusammensetzung des Regiments zu den Warmsitzern abkommandiert. In den Monaten Oktober bis April musste er mit 300 bis 350 anderen Warmsitzern drei Stunden vor Einlass des Publikums im Zuschauerraum der Oper Platz nehmen, um den Raum zu erwärmen. Spoerhase machte sich nichts aus Opern, konnte sogar Operngesang nicht ausstehen, sodass ihn die Abwesenheit von Musik beim Warmsitzen nicht störte. Das Gespräch mit Kollegen suchte er nicht und versuchte auch nicht, die Gespräche anderer mitzuhören. Spoerhase saß einfach da. Es machte ihm nichts aus. Und nach etwa zwei Stunden wurde es auch warm.

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Ich wusste nur von einem Ausspruch meines Vaters, dass er in seiner Jugend in Wien oft die Oper besucht habe. Als Hinweis auf diese Zeit hing über seinem Schreibtisch eine Lithographie des Operngebäudes, in der Stimmung eines regnerischen Abends, mit Menschen, die unter Schirmen zum Eingang eilten, mit Reihen vorgefahrerer Fiaker und festlich erhellten Bogenlampen, die sich auf dem feuchten Straßenpflaster spiegelten.

(Peter Weiss: Fluchtpunkt)