Unten

Unten

 

An einem Sonntag, bevor man zu van Swieten aufbrach, sagte Wolfgang Mozart zu seiner Frau Constanze, ob sie es nicht komisch fände, dass die Untere Bäckerstraße Untere Bäckerstraße heiße, obwohl sie doch nördlicher läge als die Obere Bäckerstraße. Da Constanze nicht antwortete, drehte sich Mozart um und stellte fest, dass seine Frau gar nicht im Raum war. Er wusste ohnehin, was sie ihm geantwortet hätte, dass nämlich der Wienfluss und alle Bäche zur Donau hin fließen, die Untere Bäckerstraße somit tiefer, näher zur Donau, also mit einem Wort unten liege, die Obere Bäckerstraße hingegen weiter flussaufwärts, also oben. Im Jahr 1862 wurde die Untere Bäckerstraße in Sonnenfelsgasse umbenannt und die Obere Bäckerstraße in Bäckerstraße. Im Jahr 1938 wurde die Sonnenfelsgasse in Johann-Sebastian-Bach-Gasse umbenannt. Und im Jahr 1945 wurde die Johann-Sebastian-Bach-Gasse offiziell wieder in Sonnenfelsgasse umbenannt. Wie aber der Musikkritiker und Journalist Robert Breuer unter dem Pseudonym Vidi nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil berichtet, waren die Straßenschilder mit der Aufschrift Johann-Sebastian-Bach-Gasse im März 1946 noch nicht ersetzt worden.

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»Und sogar dein Ortssinn macht einen nur schwindlig«, sprach ich weiter: »Wenn du zu einem Haus hinüber gehst, sagst du, dass du hinunter gehst; wenn wir schon lang vors Haus getreten sind, steht das Auto immer noch draußen; und wenn du in eine Stadt hinunterfährst, fährst du hinauf in die Stadt, nur weil die Straße nach Norden führt.«

(Peter Handke: Der kurze Brief zum langen Abschied)