Mond

Mond

 

Früher war der Historiker Fraunschiel zwei Mal täglich drei Runden durch den nahegelegenen Park gegangen, doch nun ging Fraunschiel schon lange nicht mehr außer Haus, denn wo er hinsah, erblickte er Häuser, die jeden Moment einstürzen, Menschen, die jeden Moment verunglücken, und Messer, die jeden Moment zustechen konnten. In seiner Wohnung begann er, Schränke zu stützen und Lampen und Luster abzuhängen, da er Angst hatte, sie könnten ihn erschlagen. Doch es war zu spät, denn als die Schwerkraft nicht mehr wirkte, versuchte Fraunschiel vergeblich, sich auf die Erde zu legen. Er glitt ab und schwebte fort in den Raum. Als er am Mond vorbei trieb, sah er in der Nähe des Taurus-Littrow-Tals einen Gegenstand. Es war das Mondmobil, mit dem die Astronauten der Apollo-17-Mission, Schmitt und Cernan, fünfunddreißig Kilometer zurückgelegt hatten. Sie waren also doch da gewesen. Aber für Fraunschiel war es zu spät, seine Schriften zu widerrufen, denn die Erde war nur noch ein winziger Punkt, den er kaum mehr sehen konnte.

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Er ist es, der Mond, und vor allem dieser deutsche Mond! Da kommt er abermals über das Dach, und Sie legen den Kopf auf die Schulter und blinzeln ihm verlegen und blöde in die Fratze. Und plötzlich schwankt hohes Weizenährenfeld vor Ihren Blicken, die Nachtigall oder sonst ein Vogel piept im Gebüsch, es blitzt der Teich, der Bach murmelt, und Sie, Kollega, fangen gleichfalls an zu murmeln.

(Wilhelm Raabe: Deutscher Mondschein)